Bericht aus den Projekten

 
 

Liebe Freunde von Himalayan Life

Soeben liegen zwei Monate Projektbesuche hinter mir. Ge­meinsam mit Programmleiter Ruben und Finanzleiter Indra besuchte ich die Projekte in Nepal und Ladakh. Unsere Ziele waren, die lokalen Mitarbeiter in ihrer Leitertätigkeit zu fördern und ihnen bei der Programmplanung zu helfen.




REISE


Auf dem Weg nach Nepal erreicht mich beim Zwischenhalt in München die Nachricht, dass wegen Überschwemmungen in Nepal der Flugplatz in Kathmandu geschlossen sei. Tatsächlich verursachte ein 24 Stunden langer Wolkenbruch erheblichen Personen- und Sachschaden, insbesondere in der Umgebung von Kathmandu. Bis zu meiner Ankunft ist der Flugplatz aber wieder offen. 

Man spricht vom Himalaya als 'junges Gebirge' mit 'unreifen Flüssen', charakterisiert durch steiles Gefälle und hohe Erosionskraft. Es zeichnet sich ab, dass die Himalaya Region besonders anfällig reagiert auf die häufigeren Starkregenfälle und den Klimawandel.




CHITWAN


Unsere Fahrt mit dem Jeep von Kathmandu nach Chitwan beginnt mit einem Umweg, denn die direkte Strasse ist wegen dem Unwetter immer noch zu. Statt rund sechs dauert die Fahrt zwölf Stunden ... 

Auch schon vor der Pandemie zeichnete sich unser Projekt in Chitwan durch viel Empathie und Einsatz aus. Loveson und sein Team haben ein grosses Herz für die Kinder und setzten sich für da für sie ein, wo Familie, Schule und Community ihre Verantwortung nicht wirklich wahrnehmen. Aber so richtig hat Chitwan während COVID seine Identität gefunden. Der monatelange Lockdown brachte viele Familien an die Kante der Existenz. Mit unermüdlichem Einsatz leistete damals Loveson Nothilfe. Dabei war es stets unsere Hoffnung, dass sich durch die Nothilfe Türen für längerfristige Projekte mit Kindern öffnen würden.

Das hat sich erfüllt mit dem vor zwei Jahren gegründeten Schülerheim in Thankaltar mit jetzt 98 Kindern, und dem ganz neuen Schülerheim in Swamitar mit 65 Kindern. Für diese Kids wäre der Schulweg schlicht zu weit, und ohne das Schülerheim hätten sie keine Chance auf eine Grundschulbildung. Wie bei allen Projekten geht es uns in den beiden Schülerheimen darum, für die Kinder ein Umfeld zu schaffen in dem sie gedeihen können. Wie in all unseren Projekten ist auch hier das Motto, die Kinder zu schützen, zu fördern und zu bilden.



Nach der langen Fahrt am Vortag packen wir die Besuche bei beiden Schülerheimen in einen Tag – also wiederum rund 8 Stunden im Jeep, und je 4 Stunden in Thankaltar und Swamitar. Der Besuch im neuen Schülerheim in Swamitar freut mich sehr. Die Kinder im Alter von 11 bis 18 Jahren, alle in der Sekundarschulstufe, sind erst gerade in der Vorwoche eingezogen. Dennoch läuft das Abendessen und die Ämtli nach der Mahlzeit schon sehr geordnet ab. Das Gebäude wird uns von der Schulgemeinde zur Verfügung gestellt.



Besonders berührt bin ich von der Begegnung mit dem 13 jährigen Krishna in Thankaltar. Krishna lebt mit einer massgeblichen Geh-Behinderung, und ich bin tief beeindruckt, wie die anderen Kinder ihn auf sehr natürliche Weise mit einbeziehen in den Alltag, inklusive Sport und Spiel.

Früher war ich der Meinung, dass es in unserer Arbeit vor allem oder sogar ausschliesslich darum geht, in Menschen zu investieren. Unterdessen habe ich gelernt, dass es ebenfalls wichtig ist, Strukturen, Systeme und Infrastruktur aufzubauen. Dazu gehört der lokale Vorstand in Chitwan, der Loveson dabei unterstützt, die Arbeit im Einklang mit dem Gesetz und mit Voraus- und Umsicht zu machen. Natürlich begeistert mich der Besuch im Schülerheim und die praktische Leitertätigkeit mehr als die lange Vorstandssitzung, aber ich bin dankbar, dass der Vorstand ebenfalls mit viel Herzblut den Rahmen schafft für die Projektarbeit in Chitwan.

Die Kids vom neuen Schülerheim in Swamitar

Selfie mit den Heimleitern Sonu und David in Swamitar

Das Schülerheim in Thankaltar


ULLERI


Als wir das Kinderheim in Ulleri vor 18 Jahren starteten, war der Weg nach Ulleri lang, steil, beschwerlich und ausschliesslich zu Fuss. Jetzt reisen wir per Jeep an, in gerade einmal vier Stunden von Pokhara. Die Dasain-Ferien (13 tägiges Hindu-Volksfest) haben bereits begonnen, und die Kinder sind bei ihren Familien. Wir treffen im Heim also 'nur' die Heimeltern an: Kim und Prisca, sowie Momata. Einige der Fragen, die uns hier beschäftigen sind: wie begleiten wir nach dem Schulabgang die Kids weiter, besonders diejenigen, welche keinen Support von ihrer Familie erhalten? Wie können wir den Kindern helfen, die keine Geburtsurkunde haben und im legalen Sinne gar keine Existenz haben? Wie begegnen wir den stets neuen Anforderung der Regierung, zum Beispiel getrenntes Gebäude für über 18 Jährige? Trotz den schwierigen Fragen freuen wir uns darüber, dass das Heim schon über 40 Kindern zur Ersatz Familie und Heimat werden durfte.



Kinderprogramm in Ulleri


VELOTOUR


Zurück in Pokhara ist der Dasain-Rummel im vollen Gang – vergleichbar mit dem Schlussspurt vor Weihnachten. Auch die meisten der 80 ehemaligen Strassenkinder in unserem Street-to-School Heim in Pokhara machen sich bereit für die Festtage bei ihren Verwandten. Einige haben niemanden. Doch halt – sie haben uns und mich! Am Haupttag der Festlichkeiten gehen wir schon im Morgengrauen zu neunt auf eine Velotour: Vom Pokhara Tal über die Hügelkette zum Mardi Fluss, und über einen weiteren Pass zum Begnas See. Es wird ein fröhlicher, wenn gleich anspruchsvoller Tag für uns alle. Für die Überraschung des Tages sorgt der 18-jährige Bijay: Wir alle hatten stille Bedenken, ob der kurzwüchsige und schon fast zerbrechlich wirkende Jüngling die doch recht lange Tour mit erheblichen Höhenmetern schaffen würde. Als ob: Nicht nur schafft er die Tour, sondern gewinnt auch vier der fünf von mir ausgesetzten Bergpreise (wobei er drei der Preise gerne an den jeweils nächst-besten weitergibt). Ein toller Tag mit guter Gemeinschaft und tiefen Gesprächen ...



Mittagessen auf der Velotour


LADAKH

Obschon ich alle Register ziehe, um meine Allergien in Schach zu halten, wird es in den Tagen gleich nach Dasain zu viel. Trotz Medikamente sind die Augen völlig zugeschwollen, und ich kann nicht richtig funktionieren. So entschlies­se ich mich, den eigentlich später geplanten Projektbesuch in Ladakh vorzuverschieben, um den Pollen zu entrinnen. Tatsächlich sind in Leh, auf über 3000 müM, die Allergien innert weniger Stunden weg und ich habe wieder Energie. 

Seit 2009 finden hier Kinder von nepalesischen Sklaven-Arbeitern ein sicheres Zuhause, liebevolle Fürsorge und Schulbildung. Unser Schülerheim bietet den Kindern die Chance, statt dem ausweglosen Grau der Labour-Camps ein Leben geprägt von Hoffnung, Perspektive und Vergebung anzupacken. Gegenwärtig haben wir 53 Kinder im Heim.

Die Geschichten der Kinder bewegen mich sehr: Zum Beispiel Stenzen (10) und Tsiring (8): Der Vater der beiden Brüder hat sich letztes Jahr das Leben genommen; er verzweifelte schlicht am Druck an allen Fronten. Nie genug: nie genug zu essen, nie genug Zeit, nie genug Unterkunft für die Familie, nie genug Arbeit, nie genug Einkommen, nie genug Zugang zu medizinischer Versorgung ...  Die Mutter verliess kurz darauf Ladakh mit einem anderen Mann und ist seither verschwunden. Ich weiss nicht, welche Last in ihrer Seele sie zu diesem Verzweiflungsschritt gezwungen hat. Seither ist es unsere Aufgabe und unser Privileg, den beiden Kindern das Zuhause und die Familie zu ersetzen und ihnen zu helfen, ihr tiefes Trauma zu überwinden.



Die Kids und Betreuerinnen und Betreuer vom Schülerheim in Leh


YANGRI


Eine Woche später bin ich zurück in Nepal. Der Projektbesuch im Yangrital, sowohl unten in der alten Schule in Yangri als auch oben in Bangdang beim Neubau steht auf dem Programm.

Seit April finden 6. bis 10. Klasse auf dem neuen Schulgelände in Bangdang statt. Der Bau läuft gleichzeitig auf Hochtouren, damit auch Kindergarten bis 5. Klasse, die noch unten in Yangri sind, so bald wie möglich umziehen können. Sonam und ich brüten drei Tage über den Plänen, und wir machen einige wichtige Änderungen. Das Team hat klar zum Ausdruck gebracht, dass die Mensa so nahe wie möglich bei den Unterkünften sein sollte, und nicht unbedingt gleich bei den Schulgebäuden. So passen wir die Pläne an und vermessen das Gelände entsprechend. Es passt!

Während Sonam und ich uns schwergewichtig mit dem Bau beschäftigen, findet in Kathmandu eine Fortbildung für die Lehrer der Primarstufe mit Katalin Geisel statt. Es geht um den Lehrplan und dessen Umsetzung in den verschiedenen Fächern bis hin zur Unterrichtsplanung. Dabei arbeitet Katalin sehr eng zusammen mit Sujata, die die Schulleitung für die Primarstufe übernommen hat. Für Katalin hat bereits der Schlussspurt begonnen; im Frühling geht für sie und Matthias der über zehnjährige Einsatz in Nepal zu Ende. Ich bin dankbar, dass die Schulleitung bei Sujata für die Primarstufe und Khandu für die Oberstufe in guten Händen ist.

Unterricht im neuen Schulgebäude in Bangdang, dem neuen Ort des Yangri Academic Centers.

Die Bauarbeiten für das Yangri Academic Center am neuen Standort gehen weiter, damit im Lauf dieses Jahres auch die Kindergärtner und die Kids von der 1. bis zur 5. Klasse am neuen Ort unterrichtet werden können. Aktuell findet der Schulbetrieb für sie in Provisorien statt.


POKHARA


Der Abschluss meiner Projektbesuche ist dann in Pokhara – diesmal dankbarerweise fast ohne Allergien. Ein besonderes Anliegen ist mir die Leitung des Street-to-School Heims, sowohl für die Mädchen als auch für die Jungs. Wird das Team in der neuen Konstellation, ohne Chanman und Aksha, die pensioniert worden sind, der Verantwortung für die Kinder gerecht? Es zeigt sich, dass meine Sorge unbegründet ist. Die Heimleitung nimmt ihre Aufgabe sehr ernst und setzt alles daran, dass die 80 Kinder umsorgt und sicher sind.

In Pokhara steht immer auch unser PET Recycling Sozialunternehmen auf meiner To-Do-Liste. Unter der umsichtigen Führung von Prakash Bharati läuft der Betrieb recht rund. Monatlich werden 100 Tonnen leer-Flaschengut verarbeitet – also zirka 4 Millionen Flachen! Unser Fokus liegt unverändert auf 'People-Planet-Profit'. Es geht um soziale Arbeits- und Praktikumsplätze, Umweltschutz, und zumindest einen bescheidenen finanziellen Beitrag an unsere Projekte. An Herausforderungen fehlt es dabei nie: das Unternehmen im korrupten Umfeld von Nepal als Sozialunternehmen und gleichzeitig profitabel zu betreiben ist alles andere als einfach. Trotzdem sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass wir mit dem PET-Recycling-Sozialunternehmen auf vielen Ebenen Positives bewirken.

PET-Recycling-Sozialunternehmen in Pokhara

Lehrerfortbildung unter der Leitung von Katalin Geisel

Herzliche Grüsse und eine gesegnete Adventszeit

Dani und Karin Bürgi