Herausforderungen und Gründe zum Feiern
Der Alltag in Yangri ist herausfordernd, aber es gibt immer wieder Grund zum Feiern …
Ein Bericht von Katalin Geisel
Es ist heiss geworden hier in Nepal. Und mit der Hitze kommt die drückende Schwüle der beginnenden Regenzeit. Monsoon ist die Zeit der starken Regengüsse, mächtigen Gewitter, und intensiven Farben. Doch Monsoon ist auch die Zeit der Erdrutsche und Überflutungen. Seit letzten Sommer ein grosser Teil unserer Schule innerhalb weniger Minuten von einer Flutwelle weggespült wurde, hat der Monsoon noch eine viel persönlichere Komponente bekommen.
Immer wieder gehe ich eine innere Checkliste durch:
Haben sie die Schüler schon nach Hause geschickt, um das Gelände zu evakuieren?
Sind die provisorischen Brücken noch intakt, so dass Lehrer sich auf den Weg in die Dörfer machen können, um Hausaufgaben zu verteilen?
Klappt es, ein externes Gebäude im Dorf anzumieten und unsere älteren Schüler noch ein paar Wochen länger präsent zu unterrichten?
Wie kommen unsere neuen Lehrer zurecht?
Und welche Erinnerungen werden bei den Mitarbeitern ausgelöst, die in der Nacht der Flut dabei waren?
Der Alltag hier in Yangri nach der Flut ist herausfordernd:
provisorische Zeltklassen
viele Menschen und sehr limitierter Platz
fehlende Ressourcen
neue Lehrer, die nicht so gut eingearbeitet werden konnten wie wir es geplant hatten
und über allem die Frage: Wie können wir unseren Kids unter den gegebenen Umständen so viel wie möglich mitgeben, sowohl akademisch als auch emotional?
Doch in all den Herausforderungen gibt es immer wieder Grund zu feiern. Und wir feiern:
das Team von vier Frauen, die aus unserer Mitte heraus die kollektive Verantwortung für die Leitung der Schule übernommen haben
neue Lehrer, die mutig genug waren, trotz der Umstände bei uns anzufangen
gelegentliche Zeitfenster für Lehrerworkshops
Eltern, die sich für die Schule stark machen und ihre Kinder schicken, so dass wir mit mehr als 200 Schüler/innen in dieses neue Schuljahr gestartet sind
das erste Elterntreffen mit allen gemeinsam auf dem Schulgelände seit dem Corona-Ausbruch.
Manchmal fällt mir persönlich das Kämpfen leichter als das Feiern. Doch gerade das Wahrnehmen der positiven Ereignisse und das gemeinsame Feiern gibt neue Energie und verändert den Fokus weg von der Problemorientierung hin zu einem – trotz aller Herausforderungen – frohen und energiereichen Schaffen. Denn es ist ein riesengrosses Vorrecht, mit dabei zu sein, wenn Kinder und Erwachsene den Weg vom Nicht-Leben zum Leben gehen können.
Katalin Geisel
Bildungsberaterin Yangri Academic Center