Gedanken zu meinen Besuch in Nepal
Ich erzähle eine kleine Begebenheit aus unserer Zeit in Nepal, die mich sehr berührt hat. Am ersten Tag unseres praktischen Einsatzes ging ich zum Street-to-School-Heim, wo ehemalige Strassenjungen leben/wohnen und zur Schule gehen. Zuerst wurde uns das ganze Heim gezeigt. Im Erdgeschoss befindet sich ein Fernsehraum und drei Schlafzimmer, im Obergeschoss ist die Küche, zwei Lernräume und das Schlafzimmer der Heimeltern. Als wir ankamen, war gerade Hausaufgabenzeit und alle Jungs waren mit ihren Schularbeiten beschäftigt. Wir haben die Englischkenntnisse und das Allgemeinwissen der älteren Jungs getestet und es war absolut beeindruckend, wie intelligent die Jungs sind. Ein Junge, der die 3. Sekundarstufe besucht, konnte das englische Wort "precipitation" in weniger als fünf Sekunden korrekt und ohne Stocken auf englisch buchstabieren. Die Jungs erzählten uns stolz, dass sie zu den Besten in der Klasse gehören. Bindu, der Heimvater/leiter, sagte, dass zwei der Jungs so gute Schulleistungen haben, dass sie vermutlich eine Klasse überspringen werden. Diese begabten Schüler sind ehemalige Strassenjungen am äussersten Rand der Gesellschaft, schmutzige, abhängige Leimschnüffler, die schlechter als Hunde behandelt wurden.
Bei unserem Besuch machten wir mit den acht ältesten Jungs Jonglierbälle aus Luftballons, von denen wir mehrere übereinanderschichteten und das Ganze mit Sand füllten. Jeder der Jungs machte für sich drei Jonglierbälle und trainierte nachher mit ihnen zu jonglieren. Das Strahlen in den Gesichtern der Jungs, wenn ihre Jonglierkünste besser wurden, und die Konzentration, mit der sie sich dieser einfachen Bastelaufgabe widmeten, berührten mein Herz. Während wir die Jonglierbälle bastelten, kam ich mit einem der Jungs ins Gespräch. Prawindar kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich wusste nicht genau woher. Ich war ihnen als Daniels Tochter vorgestellt worden und er erzählte mir, "Dein Vater mich finden auf Strasse, er mich bringen zum Shelter". Ich war sprachlos und konnte nichts sagen. Prawindars ganzes Gesicht strahlte vor lauter Liebe und Dankbarkeit für das, was mein Vater für ihn getan hatte. Plötzlich wusste ich es wieder, Prawindar war bereits vor drei Jahren, als ich Nepal besuchte, im Shelter gewesen. Ich erinnerte mich daran, wie man ihn nicht bändigen konnte, er schlug um sich, biss und stiess seinen Kopf in den Rücken der Mitarbeiter, wenn sie sich auch nur eine Sekunde von ihm abwanden. Gottes Gnade und beharrliche Liebe haben diesen Strassenjungen verwandelt in einen intelligenten jungen Mann mit einer aussichtsreichen Zukunft.
Vielen Dank!
Steffi Buergi